Ich will nicht...!

23.August 2011 - Pretoria


"Ich will nicht zur Schule!", ich lasse mich auf meinen Stuhl fallen, ziehe die Stirn kraus und schaue Stephi an. Als Lehrerin krank sein, ist so richtig schön bescheuert. Einserseits weiß man, wieviel Stoff in den nächsten Wochen durchgezogen werden muss und dass krank sein dem Ganzen ´nen ganzen Lattenzaun zwischen die Beine wirft, andererseits sind 20 Grundschulkinder mit hämmerndem Kopf und dröhnenden Ohren auch mit ganz viel Liebe nicht zu ertragen. Zu meiner Überraschung wird meine Krankmeldung sehr freundlich aufgenommen, mir wird eine gute Besserung gewünscht und das war´s. Hmmm, irgendwie ist man also immer ersetzbar. Mein Bett ist plötzlich der schönste Ort auf der Welt und von mir aus könnte auch die Sonne sich mal für ein paar Tage verziehen. Das war Freitag.
Gerade als ich dachte, ich wäre wieder fit, hat sich mein Kopf so angefühlt, als wolle er explodieren und egal, wie aufmunternd Stephi zu mir sagte: "Neh Grit, du siehst nicht sooo schlimm aus.", ich wusste, dass ich sämtliche Spiegel voerst meiden sollte. Weil auch in Südafrika sonntags keine Ärzte geöffnet haben, sind wir in die Notaufnahme gefahren. Kurz vorher hätte ich schwören können, dass alles wieder bestens ist - wer will schon in die Notaufnahme? - doch eine zu hastige Kopfbewegung später saß ich resigniert neben Stephi im Auto. Im Wartebereich der Notaufnahme liefen die 80er-Hits rauf und runter. Vielleicht ist das für die übriggebliebenen Nachtschärmer oder fürs Personal, damit auch die das Gefühl haben, am Wochenende ausgewesen zu sein. Stephi tanzte den Sitzboogie und auch ich wippte mit dem Fuß. Ich hab schon schlimmer gewartet. Zwei Stunden später hatte ich meine Krankschreibung, Antibiotika und meine Rechnung in der Hand und wollte wieder nur an den schönsten Ort der Welt - in mein Bett. "Willst du´n Stück Kuchen?", fragte Stephi ganz vorsichtig in meine Richtung. "Ich will gar nix!", motzte ich vor mich hin. "Scheiße Grit, dann biste aber echt richtug krank, wenn DUUUU KEINEN Kuchen willst." Zum Heulen.
Heute ist Dienstag und ich bleibe tatsächlich brav im Bett, ruh mich aus und ja, ich bekomme langsam wieder Appetit auf Kuchen/Torte/Kekse/Schokolade.
Mir fehlen meine Kinder. Alle 20. Ich würde so gern sehen, wie sie wuselig ihre Hefte rauskramen, sich in der Pause in die Haare bekommen und gegen Mittag ein wenig geschafft auf das letzte Klingelzeichen warten. Ein paar Kinder haben mir Bilder gemalt. Stephi hat sie mitgebracht und mit einem riesen Grinsen gesagt:"Man, Grit, die vermissen dich echt!"
Auf Reas Bild steht: "Liebe Frau Heubner! Ich wönche das du ballt wieder zo schulle komst!" In solchen Momenten weiß ich, dass ich mit niemandem tauschen will und dass ich in Deutsch vielleicht doch noch einmal das ein oder andere wiederholen sollte. :)